Die Kunst des Hängens

 

Nein, nicht was Sie denken. Es geht nicht darum die Geschicklichkeit des Scharfrichters zu beschreiben, wie er kunstvoll eine Schlinge um den Hals des Verbrechers legt, einen fachmännischen Knoten knüpft, der dann dem Delinquenten das Genick bricht, wenn die Leiter unter ihm weg gezogen wird.

Hier geht es darum wie das Aufhängen der Bilder in einer Kunstgalerie abläuft. Im Vorfeld muss schon Einiges geklärt sein: Welche Art von Kunst soll überhaupt ausgestellt werden: zeitgenössisch, heimatverbunden, avantgardistisch, abstrakt, naturalistisch, sozial- und zeitkritisch oder humorvoll, vielleicht sogar Comics? Welche Künstler/innen kommen infrage: aus der Umgebung, landesweit oder aus dem Ausland? Wie groß, wie schwer sind die Arbeiten, wie erfolgt die Anlieferung? Welches Motiv kommt auf die Einladungskarte, was ist bei der Preisgestaltung zu beachten?

Wenn alles angeliefert ist und zunächst noch wohlverpackt in den Galerieräumen steht, geht es ans Auspacken. Berge von Kartons, Folien und Füllmaterial werden beiseite geschafft. Es erfolgt die erste Besichtigung und anschließend die Überlegung: wo passt welches Bild hin. Provisorisch werden die Bilder dort an die Wand gelehnt wo sie später hängen könnten. Aber thematisch sollen sie zusammen kommen. Also wird umgestellt. Vertragen sich die Farben? Wird es besser, wenn mehr - oder weniger - Abstand dazwischen ist? Die Folge: hin- und herrücken, rechts und links vertauschen, eines höher und das andere tiefer hängen – oder umgekehrt? Sehen die kleineren Arbeiten als Block oder in Reihe besser aus. Wo ist die günstigste Höhe für den Betrachter?

Stimmt der Lichteinfall, müssen die Strahler anders eingestellt werden um Akzente zu setzen, ist die Beleuchtung gleichermaßen für Tages und Kunstlicht geeignet? Halten die Nägel dem Objektgewicht stand oder müssen Dübel gesetzt werden? Sind auch keine Elektroleitungen unter Putz im Wege? (Es gibt Spezialisten, die treffen mit 99 %iger Sicherheit jedes Kabel). Ein letzter Blick: alles stimmt, los geht's.

Doch da kommt ein alter Freund vorbei. "Unmöööglich" meint er, "so sieht das nicht aus, da ist keine Spannung drin, zumindest an der einen Wand bringt es nur eine Leningrader Hängung". "Wie bitte? Ach so, Du meinst die Petersburger Hängung". Nun ja, die Nägel liegen zwar bereit, die kann man genau so gut woanders einschlagen. Wieder kann es losgehen. Mit Maßstab, Wasserwaage und Bleistift werden die Befestigungsstellen markiert und die ersten Nägel in die Wand geklopft. Probeweise hängt man einige Bilder hin. Die Abstände passen nicht, die Höhen noch weniger. Es bleibt nichts anderes übrig als die Nägel herauszuziehen und an geeigneter Stelle wieder einzuschlagen. Jetzt werden die Löcher noch schnell zugespachtelt und die Hängung kann beginnen. Aufatmen!

Es wird höchste Zeit die Preisliste zu schreiben. Wenn nichts Unerwartetes mit Computer und Drucker geschieht wird die Liste rechtzeitig zur Eröffnung fertig. Fast wäre es vergessen worden: Etiketten mit der Nummerierung sind neben die Bilder zu kleben damit man sie auf der Preisliste wiederfindet. Und rote Punkte bereit legen, in der vagen Hoffnung, dass viele davon benötigt werden um Käufe zu kennzeichnen.

Im letzten Moment werden Arbeitsspuren beseitigt, Werkzeuge weggeräumt, die Gläser bereit gestellt und das Buffet mit Fingerfood arrangiert. Es ist geschafft!